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Es ist wichtig, das zweizeitige Vorgehen bei der Entfernung der Blase zu verstehen. Zuerst werden die Harnblase und die Lymphknoten entfernt. Dann muss der Urin abgeleitet werden. Dies lässt sich mit verschiedenen Techniken erreichen.

Allgemein unterscheiden wir zwischen inkontinenten (der Urin fließt kontinuierlich und wird außerhalb des Körpers gesammelt) und kontinenten (der Urin wird im Körper gespeichert und bei Bedarf abgelassen) Harnableitungen. Neben dem biologischen Alter, der Nierenfunktion und anderen Erkrankungen, sind die Lebensqualität und die Mitarbeit des Patienten (Sie müssen einige Veränderungen akzeptieren) entscheidend für die Frage, ob die Harnblase ersetzt oder eine Harnableitung konstruiert werden soll.

Um zu klären, welche Option in Ihrer Lage am besten passt, sollten Sie die Grenzen und Nebenwirkungen jeder Option kennen und verstehen. Neben Ihrer persönlichen Präferenz sind die Fähigkeiten, körperlich und mental mit der Harnableitung umzugehen, sowie Ihr gesellschaftlicher und familiärer Rückhalt entscheidend.

Inkontinente Harnableitung

Verlagerung der Harnleiter durch die Haut (Ureterokutaneostomie)

Werden die Harnleiter entweder zusammen oder getrennt so verlagert, dass sie sich durch eine neu geschaffene Öffnung in der Haut (Stoma) seitlich am Bauch (Abb. 1) entleeren lassen, kann der Urin den Körper einfach in einen Stomabeutel verlassen. Diese Ableitung ist die einfachste. Auch wenn sie nur selten eingesetzt wird, ist sie eine sichere und praktische Option für Patienten mit komplizierten Krankheitssituationen (vorangegangene Operationen, mehrere Gesundheitsprobleme, palliativmedizinischer Ansatz) oder unklarer Versorgungssituation nach der Operation. Schwere Komplikationen kommen selten vor. Wiederkehrende Infektionen und Verengungen (Stenosen) der Öffnung kommen häufig vor und können eine Behandlung erfordern. Oft benötigen Patienten einen Stent im Harnleiter, der regelmäßig ausgetauscht werden muss.

Abb. 1: Ureterokutaneostomie.
Abb. 1: Ureterokutaneostomie.

Einsetzen eines Stücks Dünndarm zwischen den Harnleitern und der Haut (Ileum-Conduit)

Ein Ileum-Conduit kann geschaffen werden, indem ein Stück des Dünndarms zwischen den Harnleitern und der Haut eingesetzt wird (Abb. 2). Dieses ‘Urinstoma’ schafft eine größere Distanz zwischen den Nieren und der Haut und verringert so die Gefahr von Infektionen, die für gewöhnlich von außen in den Körper gelangen. Ein weiterer Vorteil für die Patienten ist, dass der Umgang mit dieser Art von Stoma einfacher ist und dass es seltener zu Verengungen (Stenosen) kommt als bei kleineren Stoma-Formen. Wiederkehrende Infektionen bleiben eine Komplikation, ebenso Langzeitkomplikationen wie Verhärtungen/Vernarbungen (Stenosen) der Öffnung, Undichtigkeiten und die Bildung von Harnsteinen im Harntrakt (Urolithiasis).

Da dieser Eingriff technisch relativ einfach durchzuführen und verlässlich ist, stellt er die am häufigste genutzte Form der Harnableitung dar.

Wenn Sie sich für diese Form der Harnableitung entscheiden, müssen Sie sich bewusstmachen, dass es einige Zeit und Energie erfordert, sich an das Leben mit einem Stoma zu gewöhnen. Ihr Behandlungsteam wird Sie bei der Anpassung Ihres Lebensstils und der Gewöhnung an die Situation (anderes Körperbild, Sport und Hobbies, Reisen usw.) unterstützen.

Abb. 2: Ileum-Conduit.
Abb. 2: Ileum-Conduit.

Kontinente Harnableitung durch die Haut (heterotope Neoblase)

Konstruktion eines Speichers innerhalb des Körpers (mit Harnableitung durch die Haut)

Unter Verwendung eines Dünndarm- oder Dickdarm-Abschnitts, manchmal auch des Wurmfortsatzes, wird ein Reservoir in der Bauchhöhle geschaffen und über einen Ventilmechanismus mit der Haut verbunden. (Abb. 3). In diesem Niedrig-Druck-Beutel kann Urin innerhalb des Körpers gespeichert werden. Ziel dieser Prozedur ist es, die Kontrolle über die Entleerung (Kontinenz) oder den Rückfluss zu den Nieren (Reflux) zu ermöglichen. Das Reservoir wird durch eine intermittierende Katheterisierung alle zwei bis sechs Stunden mit einem kleinen Plastikkatheter geleert. Die Öffnung kann überall im Bereich des Unterbauchs oder im Bauchnabel platziert werden.

Wenn Sie sich für diese Art der Harnableitung entscheiden, muss Ihre Augen-Hand-Koordination ausreichend gut funktionieren, damit Sie den Beutel regelmäßig selbständig entleeren können. Leber und Nieren müssen zufriedenstellend arbeiten, da die Wiederaufnahme von Harnbestandteilen wie Salz, Harnsäure und Wasser durch die den Beutel auskleidende Darmschleimhaut eine zusätzliche Belastung für diese Organe bedeutet

Zu den möglichen Komplikationen gehören Infektionen, Inkontinenz, Eingeweidebrüche, Reflux, Verengungen der Öffnung in der Haut (Stenose), sowie Leckagen, Kurzdarmsyndrom, Stoffwechsel- und Elektrolytstörungen. Da diese Operation eine technische Herausforderung darstellt und vor allem die Konstruktion des Ventilmechanismus nicht immer gelingt, wird diese Technik nicht häufig angewendet.

Abb. 3: kutane Harnausleitung.
Abb. 3: kutane Harnausleitung.

Implantation der Harnleiter in den Enddarm (Enddarmblase, Sigma-Rektum-Pouch)

Wenn die Harnleiter in den Enddarm eingepflanzt werden, wird der Urin anschließend mit dem Kot im Enddarmbeutel gespeichert (Abb. 4). Der Schließmuskel und der Beckenboden werden damit zum Kontinenzorgan und müssen sicher funktionieren. Diese Form der Harnableitung führt zu einer Vermengung von Kotmasse und Urin, so dass Wasserlassen und Stuhlgang gleichzeitig stattfinden. Dieses Verfahren ist mit einer hohen Infektionsrate verbunden, so dass es nur selten und unter bestimmten Umständen eingesetzt wird. Kurzzeitige Komplikationen können wiederkehrende Infektionen (einschließlich Entzündungen der Bauchwand und der Nieren) sein, Verengungen der Öffnung zum Enddarm sowie Undichtigkeiten. Zu den möglichen langfristigen Komplikationen gehören Dranginkontinenz, Reizdarm und ein begleitender Dickdarmkrebs.

Abb. 4: Harnleiter-Dickdarm-Ableitung.
Abb. 4: Harnleiter-Dickdarm-Ableitung.

Konstruktion einer Blase aus einem Dünndarmabschnitt (orthotope Neoblase)

Eine neue Blase lässt sich aus einer Dünndarmschlinge konstruieren, die zuvor aus dem Verdauungstrakt ausgeschaltet wird (Abb. 5).

Ein Reservoir wird aus einem Dünndarmabschnitt geformt und als Ersatz für die Harnblase im kleinen Becken platziert.

Abhängig von der verwendeten Technik ist das Reservoir kugel-, w- oder v-förmig. Die Enden der Harnleiter werden an beiden Seiten eingesetzt und das untere Ende wird mit der Harnröhre verbunden. Der Blasenschließmuskel bleibt dabei erhalten. Durch diese Form der Harnableitung entsteht ein kontinentes Reservoir mit einem Volumen, das mit dem der gesunden Harnblase vergleichbar ist.

Sie werden mit einer orthotopen Neoblase keine Blasenfüllung oder einen Drang zum Wasserlassen spüren. Deshalb muss die Blasenentleerung alle zwei bis vier Stunden angestoßen werden. Die Neoblase wird entleert, indem die Beckenbodenmuskulatur entspannt und der Bauch angespannt wird (Valsalva-Manöver). Mit beiden Händen gegen den Bauch zu drücken, kann bei der kompletten Leerung der neoBlase helfen. Etwa 20 Prozent der weiblichen Patienten müssen eine intermittierende Selbst-Katheterisierung durchführen, um die neoBlase vollständig zu entleeren. Bei männlichen Patienten ist dies nur selten erforderlich.

Diese Harnableitung setzt voraus, dass Sie ihre Erfordernisse gut verstehen und erfüllen.
Eine ausreichende Nieren- und Leberfunktion, eine relative hohe Lebenserwartung, gute psychische Eignung und ein funktionierender Beckenboden (keine bestehende Inkontinenz) sind erforderlich für diese Art der Harnableitung. Wenn Sie bereits zuvor eine ausgedehnte Bauchoperation oder Strahlentherapie hatten, sollten Sie diese Art der Harnableitung nicht anstreben.

Abb. 5: Orthotope Neoblase.
Abb. 5: Orthotope Neoblase.

Kurzzeitige Komplikationen können wiederkehrende Infektionen (einschließlich Entzündungen der Bauchwand und der Nieren) oder Undichtigkeiten sein. Zu den möglichen Langzeitkomplikationen gehören Verengungen der Öffnung zur Neoblase, Veränderungen im oberen Harntrakt, Inkontinenz, Kurzdarmsyndrom und Eingeweidebrüche sowie Stoffwechsel- und Elektrolytstörungen.

Engmaschige Überwachung und Anleitung sind in den ersten Monaten nach dieser Form der Harnableitung wichtig. Ihr Behandlungsteam wird Sie dabei unterstützen, Ihren Lebensstil anzupassen und sich an die neue Situation zu gewöhnen. Sie werden Ihre Gewohnheiten an den Tagesablauf ausrichten müssen (Wasserlassen nach einem festen Zeitplan).

Regelmäßige Blutuntersuchungen zeigen, ob der verwendete Darmabschnitt zu viel Harnsäure absorbiert und so zu Entgleisungen des Säure-Basen-Haushalts führt, die häufig mit oralen Medikamenten behandelt werden müssen (Natriumbikarbonat = Backnatron).

Das neu geschaffene Reservoir braucht Zeit, sich zu beruhigen und seine Funktion aufzunehmen. Um ihr Fassungsvermögen zu erhöhen, werden Sie Ihre neue Blase trainieren müssen. Ihr Behandlungsteam wird Sie beim Blasentraining anleiten. Anfangs kann es zu einer Inkontinenz kommen, wenn eine postoperative Schwellung im Bereich des Beckenbodens auftritt und/oder aufgrund eines Volumenmangels Ihrer Neoblase in der ersten Zeit.